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Familienhund: Was kann er, wie sieht er aus?

Unbestritten: Kinder profitieren in ihrer Entwicklung vom Umgang mit einem Familienhund. Verantwortung und Rücksicht, aber auch der Umgang mit Leben und Tod kann hier geübt werden, um nur zwei Beispiele zu nennen. Doch was genau ist ein Familienhund und welche Eigenschaften zeichnen ihn aus? Glaubt man dem Inhalt zahlreicher Rassebeschreibungen, so ist quasi jeder Hund und jede Hunderasse als Familienhund geeignet. Auch in vielen Vermittlungssendungen, in denen Hunde ein neues zu Hause suchen, scheut man sich davor, einen Hund explizit nicht als Familienhund zu deklarieren. Mit diesem Artikel möchte ich den Versuch wagen, der Frage auf den Grund zu gehen, ob es den Familienhund gibt. Ohne auf den Zug der Regenbogenpresse aufzuspringen, aber auch ohne einen allzu naiven Blick auf das Thema Familienhund.

Was ist ein Familienhund?

Die lateinische Bezeichnung unseres Haushundes lautet Canis lupus familaris und scheint damit sprachlich schon zu implizieren, dass jeder domestizierte Hund auch automatisch ein Familienhund ist. Natürlich meint dieser Begriff aber nur, dass der Hund innerhalb einer Familie lebt – über die Harmonie mit Kindern verschiedenen Alters, aber auch älteren und vielleicht schon etwas ungeschickten Menschen, wird hier keine Aussage gemacht.

Was ein Familienhund ist, lässt sich vermutlich nicht so einfach klären wie die Frage, was einen Familienhund auszeichnen soll. Nähren wir uns diesem Thema also doch einfach einmal mittels einer Checkliste.

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Auch kleine Kinder profitieren davon, mit Hunden aufzuwachsen. | Foto: ©froot – pixabay.com

  • Ein Familienhund soll die Familie bereichern
  • Babies, Kinder und andere Familienmitglieder sollen durch den Hund keinerlei Gefahr ausgesetzt werden.
  • Ein Familienhund soll sich anpassen und sich in den stressigen Alltag aus Arbeit, Kindergarten, Schule und (auch einmal hundeloser) Freizeitgestaltung einfügen.
  • Ein Familienhund muss Fremden gegenüber aufgeschlossen sein – schließlich kommt nicht selten einmal Besuch ins Haus.
  • In der Öffentlichkeit soll der Hund sich stressfrei und unauffällig verhalten, damit die Erwachsenen ausreichend Zeit und Aufmerksamkeit für Ihre Kinder haben.
  • Das Geld in Familien ist nicht selten knapp bemessen. Der Hund sollte daher möglichst gesund sein und nicht viele Folgekosten verursachen – eine Reserve für Tierarztkosten liegt natürlich dennoch immer bereit.
  • Eine Familie besteht nicht immer nur aus Eltern und Kindern. Auch andere Tiere können dazugehören. Ein Familienhund sollte demnach auch mit anderen Tieren klarkommen.

Sehen wir uns diese Liste noch einmal genauer an, dann wird schnell klar: Was wir suchen ist nicht nur ein Familienhund, sondern scheinbar auch die berühmte, eierlegende Wollmilchsau.

Die Hundefamilie

Was wäre, wenn wir uns nicht mehr fragen, was der beste Familienhund ist, sondern wie die ideale Hundefamilie aussieht? Nein, damit ist nicht die Hündin mit ihren Welpen gemeint, sondern die Familie, die einen Hund in ihrer Mitte aufnehmen möchte. Und wir wissen: jede Familie sieht anders aus. Bei der Suche nach einem Familienhund macht man sich also auf die Suche nach einem Puzzlestück. Sind zum Beispiel noch recht kleine Kinder im Haus, dann ist es ratsam, sich nicht unbedingt auf Hunderassen oder Hundeindividuen zu konzentrieren, die für ihren hohen Beutetrieb bekannt sind. Hier ist die Gefahr von Unfällen hoch, wenn das Kleinkind einmal mit einem Wurstbrötchen durch die Gegend läuft oder neugierig in den Futternapf des Hundes greift. In der Presse werden solche Hunde, die sich in Situationen wie diesen nur ihren Instinkten entsprechend verhalten, später als reißende Bestien beschrieben. Besonders schlimm: der körperliche und seelische Schaden beim Kind ist nicht immer wieder gut zumachen.

Kleine Hunde sind nicht zwangsläufig die idealen Familienhunde. |Foto: ©David amsler - flickr.com

Kleine Hunde sind nicht zwangsläufig die idealen Familienhunde. |Foto: ©David amsler – flickr.com

Die Suche nach einem geeigneten Hund ist die Suche nach einem Puzzlestück.

Älteren Kindern kann man durchaus erklären, wann sich ein Hund wie verhält und warum. Hier gilt es vielmehr, einen Hund zu finden, der Ansprüche an seine Halter stellt, die auch ein Kind von etwa 12 Jahren erfüllen kann. Gemeinsamer Hundesport, zum Beispiel, verbindet. Familien mit kleinen Kindern haben hingegen oft wenig Zeit, den Hund auch auf dem Hundeplatz auszulasten.

Die vier größten Irrtümer zum Thema Familienhund

Vor allem die Regenbogenpresse mit ihrer Kampfhunde-Diskussion hat dazu beigetragen, dass zum Thema Familienhund einige gefährliche Irrtümer die Runde machen. Hier die vier häufigsten:

  1. Kleine Hunde sind bessere Familienhunde. Das ist so nicht richtig. Kleine, vor allem sehr kleine Hunde, können von Kindern schnell unabsichtlich verletzt werden – und sich wehren. Außerdem sind einige Rassen, zum Beispiel Pinscher (der Name der Hunderasse kommt von „to pinch“, also zukneifen) oder Dackel darauf gezüchtet worden, sich gegen wehrhafte Tiere durchzusetzen. Diese Wehrhaftigkeit können sie auch gegen Kinder einsetzen. Auch wenn hier keine böse Absicht dahintersteckt, bleibt der Schaden der gleiche.
  2. Retriever und Hütehunde sind die idealen Familienhunde – das sieht man auch im Fernsehen. Das Fernsehen zeigt nicht alles. Zwar können Retriever und Hütehunde sehr gute Familienhunde sein, jedoch auch nur dann, wenn sie gut erzogen und geistig und körperlich ausgelastet sind. Bei fast allen Hütehunderassen und bei Retrievern aus Arbeitslinien ist das neben dem Familienalltag eine echte Herausforderung, der nicht jede Familie gewachsen ist.
  3. Kampfhunde sind auf keinen Fall für Kinder geeignet! In Großbritannien werden Staffordshire Bullterrier, die hierzulande ja ebenfalls zu den sogenannten „Kampfhunden“ bzw. , weniger plakativ, „Listenhunden“ gehören, als „Nannydogs“, also Babysitter-Hunde, eingesetzt und bewachen dort kleine Kinder im Garten. Obwohl von dem Unbeaufsichtigtlassen von Hund und Kind generell und unabhängig von der Hunderasse abzuraten ist, kommt es hier seltenst zu Unfällen.
  4. Tierheimhunde sind gefährlich, weil man nicht weiß, was sie erlebt haben. Ja, hier bleibt ein Restrisiko. Jedoch sind Tierheimhunde oft schon erwachsen und in ihrem Charakter gefestigter. Auch ein Welpe kann später zu einem Problem werden. Familien mit Kindern ist zu raten, sich bei einem Familienhund aus dem Tierheim an eine Institution zu wenden, die mit Pflegestellen arbeiten. Hier kann der Hund über einen längeren Zeitraum genau beobachtet und eingeschätzt werden, ob er sich als Familienhund eignet.
Brenzlige Situationen kann es immer geben. Dieser Hund könnte sich beispielsweise eingeengt fühlen. |Foto ©jarmoluk - pixabay.com

Brenzlige Situationen kann es immer geben. Dieser Hund könnte sich beispielsweise eingeengt fühlen. |Foto ©jarmoluk – pixabay.com

Gibt es Hunderassen, die sich nicht als Familienhund eignen?

Eine berechtigte Frage, die natürlich leichter gestellt als beantwortet ist. Das liegt zum einen daran, dass ein Hund nie nur aus seinem genetischen Erbmaterial besteht, sondern auch aus Prägung, Erfahrung und Umweltreizen. Noch wichtiger sind Wechselwirkungen zwischen Genen, auch bekannt als der Genotyp, verschiedenen Proteinen und der Umwelt. Sich dem Thema an dieser Stelle in Gänze zu widmen, würde zu weit führen. Die Kurzfassung: Manche Gene und Proteine, die auch Einfluss auf das Verhalten des Hundes haben, entfalten erst dann ihre positive oder negative Wirkung, wenn spezifische Umweltreize auf sie einwirken.

Interessant:
Wusstest du schon? Auch genetisch vererbte Krankheiten können unerkannt bleiben. Fehlen spezifische Umweltreize, kann ein Ausbruch einer Krankheit verhindert werden.

Des Weiteren braucht man natürlich eine breite Erfahrung, mit sehr vielen Individuen einer Hunderasse, um sich ein statistisch einigermaßen genaues Urteil zu erlauben. Das könnten allenfalls langjährige Züchter bieten. Leider scheuen sich viele von ihnen, die Hunderasse als „eher weniger kindertauglich“ oder Ähnliches zu deklarieren, selbst wenn sie es wäre. Zu schnell wird eine Aussage wie diese bewertet, die Hunderasse verteufelt und als gefährlich eingestuft. Dabei ist es lächerlich, zum Beispiel von einem Dackel als gefährlichen Hund zu sprechen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass diese Hunde als Solitärjäger, die darauf gezüchtet wurden sehr wehrhafte Dachse aus ihren Bauten zu vertreiben, knackige Kerlchen sind, die ihre Meinung deutlich vertreten und auch Ressourcen nachdrücklich verteidigen. Das macht sie nicht zu blutrünstigen Bestien, die nicht mit Kindern klarkommen. Wohl aber zu Hunden, die weniger entspannt reagieren, wenn ein krabbelndes Kind ihnen unter das Sofa nachkriecht, um an das Spielzeug oder den Kauknochen zu gelangen.

Familienhunde brauchen eine hohe Toleranzschwelle. | Foto ©Donnle Ray Jones - flickr.com

Familienhunde brauchen eine hohe Toleranzschwelle. | Foto ©Donnle Ray Jones – flickr.com

Ein Familienhund ist die Summe seiner Teile

Als Fazit können wir in Anbetracht aller angesprochenen Punkte folgendes festhalten:

  • Ein Familienhund muss Erfahrungen, Prägung und Genotyp vorweisen, die sich für eine Familie eignen. Das bedeutet: er ist unerschrocken, gelassen im Umgang mit ungeschickten Menschen und weicht Konfliktsituationen aus oder droht deutlich, so dass entsprechend reagiert werden kann, ohne das Mensch und Tier zu Schaden kommen.
  • Ein Familienhund wird passend zur jeweiligen Familie ausgesucht.
  • Es gibt Hunderassen und Individuen, die sich für Familien mit kleinen Kindern weniger eignen als andere.
  • Die Erziehung spielt bei einem Familienhund noch mehr als bei jedem anderen Hund eine wichtige Rolle.
  • Konfliktsituationen mit dem Hund können immer auftreten. Kleinkinder und Hunde dürfen zu keinem Zeitpunkt unbeaufsichtigt zusammen sein.
Interessant:
Übrigens: Einige Hundeschulen bieten ein Training speziell für Familienhunde an. Hunde können so auch auf kommenden Nachwuchs vorbereitet werden.

Was denkst du? Was zeichnet einen guten Familienhund aus und wie findet man ihn? Ich freue mich auf dein Feedback in den Kommentaren oder bei uns auf Facebook und Twitter.

Quellen anzeigen
Univ. Prof. Dr. Irene Sommerfeld-Stur: „Gene und Umwelt – ein erfolgreiches Team“, WUFF 03/2015, S: 36ff
Titelbild: ©counselling – pixabay.com

Artikelbild Baby und Hund

Artikelbild Kind und Hund

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Kategorie: Hunde, Hundehaltung

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Als freie Online-Redakteurin lebe und arbeite ich in Hamburg. Tiere waren schon immer meine Leidenschaft und mit Wissgetierig habe ich mir einen Traum erfüllt: Ein eigenes Blogazin rund um das Thema Tiere, mit Artikeln die Mehrwert bieten.

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