Liebe Leser, ich möchte in diesen Artikel mit einer kleinen Beichte einsteigen: auch ich habe es getan. Ich habe meine Kleintiere – ein Meerschweinchen und vier Kaninchen – im üblichen Zoofachhandel gekauft. Auch zu einem Zeitpunkt, zu dem ich es eigentlich hätte besser wissen sollen.
Alle meine Tiere waren geliebte Familienmitglieder, die mein Leben bereichert haben. Ich bin sehr froh, dass ich ihnen ein neues Zuhause geboten und sie nicht ihrem Schicksal überlassen habe. Meinen Fehler und meine Schuld daran, einen Handel unterstützt zu haben, mit dem ich mich heute nicht mehr identifizieren kann und möchte, schmälert das keineswegs. Warum ich das erzähle? Weil ich an dieser Stelle niemanden anklagen möchte, der seine Familienmitglieder auf dem gleichen Weg bekommen hat. Aber vielleicht dazu anregen, den nächsten, tierischen „Nachwuchs“ auf einem anderen Weg ins Haus zu holen.
Kleintier aus dem Zoofachhandel – warum eigentlich nicht?
Seit einigen Jahren stehen Zoofachhandel, die Lebendtiere anbieten, immer wieder im Fokus von Tierschutz und Presse. Das hat, zugegeben, zu einigen Verbesserungen geführt. Die Haltungsbedingungen der angebotenen Tiere sind nahezu vorbildlich, die Käfige sauber und ausreichend groß. In fast allen Fällen sind die Kleintiere nach Geschlechtern getrennt, im Idealfall müssen sich nicht einmal Meerschweinchen und Kaninchen, die erfahrungsgemäß nicht so gerne zusammenleben wie man es ihnen lange nachsagte, zusammenleben. Im Fressnapf in Hamburg Altona wies im letzten Sommer ein Schild daraufhin, dass Tiere nicht zu heißen Tageszeiten verkauft werden.
Vielerorts, wenn auch leider nicht überall, sind Verkäufer durchaus darauf bedacht, ihre vorübergehenden Schützlinge in gute Hände zu geben. Warum ist aus Tierschutzsicht also dennoch davon abzuraten, Kleintiere aus dem Zoofachhandel zu kaufen?
Wir müssen uns immer daran erinnern, dass das, was wir vor Ort sehen, nur eine Momentaufnahme ist. Ein kurzer Augenblick, indem wir aber nicht erfahren, was mit Tieren geschieht, die nach einer gewissen Zeit nicht verkauft werden. Kaninchen und Meerschweinchen sind nach kurzer Zeit ausgewachsen und für die meisten Käufer dann – leider – nicht mehr niedlich. Und es ist in gewisser Hinsicht ja sogar verständlich, dass viele von uns auch die Babyzeit mit ihrem neuen Familienmitglied erleben möchten.
Viele Fragen, wenige Antworten
Mit dem Thema Babyzeit sind wir auch schon beim ersten großen Fragezeichen, das uns empfängt, wenn wir darüber nachdenken, ein Kleintier aus dem Zoofachhandel zu kaufen. Wie alt sind die angebotenen Tiere tatsächlich?
Auch hier kann ich, leider, ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern. Nicht immer sind die angebotenen Kaninchen, Meerschweinchen und Chinchillas bereits soweit, ihre Mütter zu verlassen – von ihnen getrennt werden sie dennoch. Bei meinem Zwergkaninchen-Bock Anton äußerte sich dies unter anderem in einer gesteigerten Nervosität, die so weit führte, dass Anton darauf angewiesen war, dass ich mich mittags mit ihm hinlegte, damit auch er zur Ruhe kam. Eigewickelt in meinem Pulli, in schützender Dunkelheit. So herzerwärmend diese Momente waren, so ist es immer ein zweischneidiges Schwert, wenn wir etwas kompensieren müssen, an dem wir nicht unschuldig sind.
Weitere Fragen, die bei Kleintieren aus dem Zoofachhandel immer offen bleiben, sind:
- Woher stammen die Tiere? Über Qualität von Zucht und Aufzucht bleiben wir im dunkeln und wissen daher auch nicht, ob wir skrupellose Massenzüchter unterstützt haben.
- Nach welchen Kriterien wurden die Tiere für die Zucht ausgewählt? Inzucht und genetische Defekte machen auch vor unseren Kleintieren nicht halt. Die rapide gesunkene Lebenserwartung, zum Beispiel von Kaninchen von 12 auf 7 Jahre, ist trauriger Beweis dafür.
- Wie waren die Haltungsbedingungen vor Ort? Noch heute leben Kleintiere bei Züchtern – ich möchte sie lieber Vermehrer nennen – in dunklen Verschlägen auf engem Raum. Hier wird wieder deutlich, dass die Momentaufnahme im Zoofachhandel selbst nichts darüber aussagt, wo die Tiere vorher gelebt haben.
Vor einigen Jahren, es ist noch nicht ganz so lange her, denn ich habe diese Zeit selbst erlebt, wurden auch noch Kitten und Hundewelpen im Zoofachhandel angeboten. Heute sehen viele Händler in Deutschland freiwillig davon ab, da die Sozialisierungsbedingungen für diese Tiere hier einfach nicht ideal sind und der Stress, dem die Tiere ausgesetzt sind, zu groß. Ist es da nicht an der Zeit, auch den Handel mit Kleintieren aus den gleichen Gründen einzustellen?
Alternativen zum Zoofachhandel
Wissgetierig ist natürlich nicht das erste Format, dass sich diesem Thema annimmt. Artikel wie diesen hier gibt es zu Hauf. Und sie alle nennen Alternativen zum Kleintierkauf im Zoofachhandel – den Gang in das nächste Tierheim.
Hier warten je nach Stadtgröße zum Teil mehrere 100 Kleintiere auf ein neues, liebevolles und artgerechtes Zuhause. Natürlich ist es unbestreitbar immer eine gute Idee, einem solchen Tier ein neues Zuhause zu bieten.
Dennoch möchte ich an dieser Stelle auch eine zweite und dritte Alternative nicht unerwähnt lassen. Eine davon ist der Kauf eines Kleintieres beim Züchter. Nicht alle sind darauf bedacht, auf Menge zu züchten und möglichst gewinnbringend zu verkaufen. Auch in der Welt der Kleintiere gibt es liebevolle Hobbyzüchter, die einem Verein angeschlossen sind, die ihre Haltungsbedingungen offen zeigen können und mit ihnen glänzen und die ein umfangreiches Fachwissen aufweisen, von dem auch der neue Halter noch lange profitieren wird.
Die dritte Lösung ist, ein Tier von privat zu übernehmen. Es gibt viele Gründe, wieso man das eigene Tier nicht mehr behalten kann. Vielleicht ist das Meerschweinchen der Nachbarn verwitwet und nicht jeder möchte auf ewig in dem „Kleintierkreislauf“ gefangen sein, dem man unterlegen ist, wenn man diese Tiere hält. Denn in der Regel sollten zum Beispiel Kaninchen, Meerschweinchen und Chinchillas nicht alleine gehalten werden. Auch Allergien und finanzielle Nöte sind Gründe, wieso sich Menschen von ihren Tieren trennen müssen. Sie alle sind froh, wenn sie ihre Tiere in liebevolle Hände wissen und nicht den Weg über ein Tierheim gehen müssen.
Foto: © SimonaR – Pixabay.com
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