Ein skeptischer Blick, der berühmte, leicht entsetzte Unterton in der Stimme und der typische Ausruf: „Du hast drei Katzen? Wieso denn drei?“
Die Antwort, die ich auf diese Frage gebe, ist immer die gleiche: Katzen sind keine Einzelgänger. Das bedeutet nicht, dass es nicht einzelne Individuen gibt, die äußerst ungern ihre Zeit in der Gesellschaft von Artgenossen verbringen. Aber dazu später mehr. Fakt ist, dass der überwiegende Teil unserer Katzen keine Einzelgänger sind. Sie schätzen das gemeinsame Spiel, die gegenseitige Fellpflege und die innerartliche Kommunikation. Aber wieso wird dann immer wieder behauptet, dass Katzen sich selbst genügen?
Der Grund liegt hier in einer fehlenden Berücksichtigung der Domestizierung unserer Katzen. Noch immer sehen die meisten Menschen Haus- und Rassekatzen als eine nur optisch andere Form der Wildkatze oder der Falbkatze, der Urmutter aller Hauskatzen. Doch genauso, wie sich Hund und Wolf nicht mehr 1:1 in ihrem Verhalten vergleichen lassen, gilt dies für Katzen und ihre wilden Vorfahren.
Wildlebende Hauskatzen als Vorbild
Vielerorts leben Hauskatzen verwildert und damit zwar innerhalb unserer Zivilisation, aber weitgehend unabhängig von menschlichem Einfluss – von gelegentlichen Fütterungen einmal abgesehen. Wissenschaftler beobachteten in Situationen wie diesen zunehmend, dass die Katzen zwar entsprechend ihrer Art weiterhin alleine auf Jagd und Futtersuche gingen, sich jedoch zu bestimmten Tageszeiten, zum Schlafen oder Ruhen, zunehmend zusammenschlossen.
Auch das Verhaltensrepertoire unserer Katzen hat sich im Vergleich zu dem der Falbkatzen erweitert. Beschwichtigungssignale, Drohgebärden und andere Kommunikationsmittel, die einen Umgang miteinander ermöglichen, kamen hinzu.
3 typische Fehleinschätzungen, die zu Einzelhaltung bei Katzen führen
Stell dir vor, du sitzt zu Hause. Der Fernseher ist kaputt, das Telefon und Internet auch und niemand ist mit dir im Haus. Du hast keinerlei Möglichkeiten, mit deinesgleichen zu kommunizieren. Nie wieder. Das ist eine grausame Vorstellung? Für Katzen auch. Deswegen ist es gerade für Wohnungskatzen für eine artgerechte Haltung Pflicht, dass sie einen passenden Artgenossen zur Seite gestellt bekommen.
Allerdings schätzen viele Menschen ihre eigenen Katzen aufgrund von Missverständnissen als absolute Einzelkatze, also eine Katze, die keine Artgenossen neben sich duldet, ein. Dies rührt jedoch meistens aus den folgenden Irrtümern.
- Die Katze faucht andere Katzen an und reagiert abweisend bei deren Anblick. Ein solches Verhalten ist vollkommen normal. Katzen sind zwar durchaus gesellig und sozial, sie sind aber keine Hunde und benötigen Zeit, sich aneinander zu gewöhnen. Das bedeutet nicht, dass sie für immer alleine leben möchten, sondern nur, dass sie nicht gleich jeden Fremden mit offenen Armen und Küsschen auf die Wange begrüßen.
- Die Katze zeigt keine Anzeichen von Unzufriedenheit. Viele Katzen leiden still und sind schlichtweg zu gutmütig zu uns, oder finden keinen Weg, ihren Kummer mitzuteilen. Andere Katzen reagieren mit Unsauberkeit und Möbelkratzen. Oder sie beißen den Besitzer in die Beine, da sie angestaute Energie nicht mit einem Artgenossen loswerden können. Die Abwesenheit von Verhaltensstörung ist im Übrigen kein Zeichen von Glück.
- Die Katze hat mit der vorherigen Katze kaum Kontakt gehabt. Manchmal verstirbt eine Katze und die andere bleibt alleine zurück. Weil sie nicht viel Kontakt zur vorherigen gehabt hat, glauben Menschen, die Katze käme auch gut alleine zurecht. Die Wahrheit ist aber oft eine andere. Genau wie bei uns Menschen, entscheidet bei Katzen die Sympathie. Nur weil wir auf einen Menschen gut verzichten können, heißt das aber auch bei uns nicht, dass wir der gesamten Menschheit entsagen.
Brauchen alle Katzen einen Artgenossen?
Wie bereits im vorherigen Abschnitt erwähnt, ist es vor allem für Wohnungskatzen besonders wichtig, einen Artgenossen an der Seite zu haben. Jagd, Beutefangen und lange Streifzüge fallen weg, die Kommunikation ist das Einzige was bleibt – und die sollte man einer Wohnungskatze auch ermöglichen. Ein Mensch kann diese nie ersetzen, denn er spricht weder die kätzische Körpersprache, noch erklärt er sich dazu bereit, mit der Katze Zärtlichkeiten und Fellpflege via Zunge auszutauschen.
Katzen, denen Freigang und damit der Kontakt zu anderen Katzen gewährt wird, die nicht zur Familie gehören, teilen ihr Zuhause jedoch meist nicht so gerne. Sie haben die innerartliche Kommunikation schlichtweg auf draußen verlegt und haben drinnen gerne ihre Ruhe. Hier muss nicht immer ein Artgenosse in der Familie zur Verfügung gestellt werden – es sei denn, die Katze ist über einen langen Zeitraum im Haus oder zeigt deutlich, dass sie gerne auch hier eine andere Katze um sich hätte.
Du möchtest deiner Katze einen Artgenossen an die Seite stellen? Auf Wissgetierig gibt es bald einen Artikel zu diesem Thema. Bis dahin erreichst du mich bei Fragen über Twitter, Facebook oder per Mail an linda.ewaldt(at)wissgetierig.de . Natürlich kannst du mir auch gerne einen Kommentar dalassen.
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